Ehrenwerte Musliminnen und Muslime! Unsere Predigt handelt über die Bedeutung der Dankbarkeit im Islam.
Im Islam spielt die Dankbarkeit eine fundamentale Rolle in der Beziehung des Gläubigen zu Gott. Sie ist nicht nur ein Ausdruck des Erkennens und Würdigens der unzähligen Gnadengaben, die Gott dem Menschen gewährt, sondern auch eine Form des Gottesdienstes, die die Bindung zwischen dem Schöpfer und dem Menschen stärkt. Dankbarkeit ist nicht auf bloße Worte beschränkt; sie erfordert eine tiefe innere Haltung, die sowohl im Herzen als auch in den Taten sichtbar wird.
Dankbarkeit bedeutet im islamischen Sinne, dass der Gläubige die von Gott gegebenen Gnadengaben wahrnimmt, sie schätzt und sich bewusst macht, dass alles, was er besitzt, ein Geschenk des Schöpfers ist. Diese Haltung sollte dazu führen, dass der Mensch sich nicht nur verbal bei Gott bedankt, sondern auch die Gnadenaben, die er erhalten hat, in einer Weise nutzt, die Gott wohlgefällig ist. Der Koran betont immer wieder, dass Gott den Menschen unzählige Gnadengaben gegeben hat, die von der Gesundheit über das tägliche Brot bis hin zu familiärem Glück reichen. Eine bekannte Stelle aus dem Koran lautet: „Und (gedenkt der Zeit) als euer Herr verkündete: „Wenn ihr dankbar seid (für Meine Gnadenbeweise), werde Ich euch fürwahr mehr geben; seid ihr jedoch undankbar, dann wird Meine Strafe gewiss streng sein.” (Sūre Abraham, Vers 7). Dieser Vers macht deutlich, dass Dankbarkeit nicht nur eine Tugend ist, sondern auch die Bedingung dafür, dass Gottes Segen und Gnade weiter bestehen.
Durch die Dankbarkeit erfährt der Gläubige nicht nur eine Vermehrung der göttlichen Gnadengaben, sondern auch inneren Frieden. Dankbarkeit hilft, das Herz zu beruhigen und Zufriedenheit mit dem, was man hat, zu finden. Ein dankbarer Mensch ist weniger von der ständigen Gier nach mehr getrieben, denn er erkennt, dass bereits das, was ihm gegeben wurde, von unschätzbarem Wert ist. Diese innere Haltung der Zufriedenheit führt zu einem Leben voller Harmonie und Ausgeglichenheit, das sowohl im Glauben als auch im alltäglichen Leben spürbar ist.
Im Koran und in den Überlieferungen des Propheten Muhammed (Friede sei mit Ihm) wird auch betont, dass Dankbarkeit nicht nur ein persönlicher Akt ist, sondern eine Verantwortung, die der Gläubige gegenüber Gott hat. Gott hat den Menschen mit so vielen Gnadengaben beschenkt, dass es nur angemessen ist, ihm dafür zu danken. Diesbezüglich sagte eins der Prophet Muhammed (F.s.m.I): „Wer den Menschen nicht dankt, der dankt auch Gott nicht“(Tirmizī, Birr, 35). Diese Aussage verdeutlicht, dass Dankbarkeit ein umfassendes Konzept ist, das sich auch auf zwischenmenschliche Beziehungen erstreckt. Dankbarkeit ist jedoch nicht nur auf positive Erlebnisse oder offensichtliche Gnadengaben wie Wohlstand oder Gesundheit beschränkt. Auch in schwierigen Zeiten sollte der Gläubige sich seiner Abhängigkeit von Gott bewusst sein und dankbar bleiben. Diese Form der Dankbarkeit, selbst in Prüfungen, zeigt das tiefe Vertrauen des Gläubigen in Gottes Weisheit und Plan.
Im Islam umfasst die Dankbarkeit verschiedene Ebenen. Die offensichtlichste Form der Dankbarkeit ist die mit der Zunge – wenn der Gläubige Gott durch Worte lobt und preist, wie es im häufig verwendeten Ausdruck „Elhamdulillah“ (Gedankt und Gelobt sei Gott) deutlich wird. Doch wahre Dankbarkeit geht darüber hinaus. Sie muss im Herzen verankert sein, indem der Mensch wirklich fühlt, dass er Gott für all das Gute in seinem Leben verpflichtet ist. Diese innere Dankbarkeit spiegelt sich schließlich auch in den Taten wider. Wenn jemand reich an Wissen ist, sollte er dieses Wissen teilen; wenn jemand materiellen Wohlstand hat, sollte er die Armen unterstützen. Die Dankbarkeit erfordert, dass der Mensch das, was er hat, sinnvoll und im Einklang mit Gottes Geboten nutzt. Im Koran heißt es hierzu: O die ihr glaubt, esst von den reinen, bekömmlichen Dingen, die Wir euch bereitet haben, und seid Gott (dafür) dankbar, wenn ihr Ihm allein dient” (Sūre Al-Baqara, Vers 174 ).
Undankbarkeit hingegen – das Verkennen der Gnadengaben Gottes oder das Nichtanerkennen dieser Gnadengaben – wird im Koran als ernsthafte spirituelle Gefahr beschrieben. Die Undankbarkeit führt den Menschen in die Irre und kann ihn letztlich von Gott entfernen. Der Koran erinnert immer wieder an Völker, die wegen ihrer Undankbarkeit zugrunde gegangen sind, da sie die ihnen gewährten Gnadenaben nicht zu schätzen wussten. Gott verlangt nicht, dass der Mensch seine Gnadenaben für sich selbst hortet oder verschwendet, sondern dass er sie verantwortungsvoll nutzt und sich ihrer Quelle bewusst ist. Der Prophet Muhammed ermahnte seine Gemeinschaft: „Seid aufrichtig und gottesfürchtig, und seid dankbar für die Gnadengaben, die ihr von Gott erhalten habt. Wer in einem Zustand der Dankbarkeit lebt, wird sowohl im Diesseits als auch im Jenseits gesegnet.“
Die Praxis der Dankbarkeit im täglichen Leben ist ein entscheidender Teil des islamischen Glaubens. Es geht darum, in jedem Moment die Gnade Gottes zu erkennen und anzuerkennen. Diese Praxis sollte sich nicht nur in besonderen Momenten des Gebets oder in den großen Ereignissen des Lebens zeigen, sondern in den kleinsten Alltäglichkeiten. Jeder Tag, an dem man gesund erwacht, jeder Bissen Brot, den man isst, jede Freude, die man mit Familie und Freunden erlebt, sollte als Anlass zur Dankbarkeit genommen werden. Selbst in schwierigen Zeiten ist der Gläubige dazu aufgerufen, Geduld zu üben und Gott für die Möglichkeit zu danken, durch Prüfungen zu wachsen und spirituell stärker zu werden.
Dankbarkeit im Islam ist also mehr als nur eine Tugend – sie ist ein zentraler Bestandteil des Glaubens und des Lebens eines Muslims. Durch die Dankbarkeit festigt der Gläubige seine Beziehung zu Gott und erlebt in dieser Beziehung Frieden und Fülle. Der Koran drückt dies mit klaren Worten aus: Sprich: “Er ist es, der euch ins Dasein gebracht und euch mit Gehör, Sehvermögen und Herzen ausgestattet hat. Wie wenig dankt ihr!” (Sūre Al-Mulk, Vers 23). In dieser göttlichen Aufforderung liegt der Kern der islamischen Spiritualität: Dankbarkeit als Ausdruck des Glaubens und als Weg zur Gottesnähe.
Möge Gott uns zu den Dienern machen, die das wahre Verständnis von Dankbarkeit besitzen, und unsere Herzen mit Gefühlen der Dankbarkeit erfüllen. Amin!